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Den Lockdown versüßen? Nichts da!

Erfahrungsbericht aus der zuckerlosen Isolation

Zum Frühstück Obstsalat mit Joghurt, zwei knusprige Brötchen mit Fruchtaufstrich (Himbeere!) und Honig, ein Glas frisch gepressten Orangensaft, ein bisschen Käse, vielleicht ein Croissant, ja auch einmal ein kleines Stückchen Sahnetorte. Wem gerade das Wasser im Mund zusammenläuft: Ja, ich weiß. Total lecker. Insbesondere in der Schwangerschaft und in Kombination mit Lockdown ist Schlemmen ja geradezu ein omnipräsentes Vergnügen. Der Supermarkt mausert sich (neben der Drogerie natürlich) zum heißgeliebten - da einzig verfügbarem - Shoppingtempel. Neue Rezepte und Lebensmittel werden zur Dauerbeschäftigung. Buchweizengrütze? Klingt super, wollte ich schon immer Mal probieren. Kochen und Essen wird zelebriert wie der letzte Kinobesuch, hätte man da schon gewusst, dass demnächst erst einmal keiner mehr kommen wird. 

 

Genau so schwebte ich durch eine zuckersüße Schwangerschaft bis mein Arzt sagte : “Sie haben Schwangerschaftsdiabetes.” Ich dachte: Ok, eine ganze Packung Kinder Country am Tag ist vielleicht sowieso keine so gute Idee. Als nächstes erklärte mir die Diabetologin, was ich als Vegetarierin noch essen kann und wie meine Werte aussehen sollten. Und ich dachte: Kein Problem für mich. Vollkornnudeln sind zwar keine kulinarische Erleuchtung, aber die sind dafür immer verfügbar, da vor denen selbst Hamsterkäufer einen Bogen machen. Zu Hause waren meine Werte nach der ersten Vollkorn-Kochaktion aber alles andere als im Rahmen. Ich gab nicht auf: dunkelstes Vollkornbrot, lediglich Miniatur Naturreis-Portionen, winzige Mengen Kartoffeln. Aber meine Werte blieben zu hoch.

Die ungefähre Menge an verträglichen Nudeln.
Die ungefähre Menge an verträglichen Nudeln.

Es folgten zwei Tage heulen und bocken, weil ich mir sicher war, nie, nie, nie wieder satt werden zu können. Kein Snickers, ok. Keine Weintrauben, ok. Kein Saft, ok. Aber keine Nudeln, kein Reis, keine Kartoffeln, kein Brot - nicht ok. Natürlich durfte ich davon schon etwas essen, aber da ich bisher auf jeden Fall eher in die Kategorie “High-Carb” gehörte, war es für mich doch eine Herausforderung. Außerdem neigte ich in der Schwangerschaft prinzipiell zu Übertreibungen (“Ich schwöre, ich platze jeden Moment”). Tatsächlich habe ich während der Schwangerschaft abgenommen. (Klar, den zweiten Menschen nicht mitgerechnet) Ich musste für jeden Tag genau definieren, was auf den Teller kommen sollte  - damit ich satt werde und meine Werte im Rahmen bleiben. Das ist ohne Fleisch/Fisch und mit reduzierten Kohlenhydraten gar nicht so einfach. Ich hatte mir in der deprimierenden Lockdown-Phase an einigen Abenden nichts sehnlicher gewünscht als eine Tüte Chips oder einfach eine Lasagne, eine Reispfanne, einen Smoothie….

Fantastische neue Lebensmittel entdeckt: Hafer als ganzes Korn. Äh ja.
Fantastische neue Lebensmittel entdeckt: Hafer als ganzes Korn. Äh ja.

Was ich aus Corona, Lockdown, Selbstisolation und Schwangerschaft gelernt habe, ist aber auch eins: Man muss positive Dinge suchen, um nicht zu verzweifeln, seien sie auch noch so molekular winzig klein. Dank der Schwangerschaftsdiabetes hat sich mir eine völlig neue und zuvor gänzlich verborgene Welt eröffnet. Ein Teil von ihr: Knäckebrot. Ich liebe es. Die lustigen Schweden wieder. Sie haben meine Schwangerschaft gerettet. Man glaubt ja gar nicht, wie viele Sorten Knäckebrot es gibt und dass die verzehrt einen sehr kleinen Effekt auf (meine) Blutzuckerwerte haben. Ich glaube, als omnivore Schwangere mit Diabetes isst man einfach nur noch Gemüse mit Tier. Als Vegetarierin isst man Gemüse mit Knäckebrot. Ein weiteres tolles Learning: Ich lese jetzt wirklich immer die Nährstofftabellen auf Lebensmitteln. Es ist schockierend (und das ist zur Abwechslung ernst gemeint), wo sich Zucker überall versteckt. Auch wenn das Experten ja schon lange predigen, war das für mich eine echte Aha-Erfahrung. 

 

Noch ein positiver Nebeneffekt: Auf meinem völlig unbekannten und letztlich lediglich von meiner Familie geklickten Foodblog habe ich Diabetes-Rezepte gesammelt und mir so einiges von der Seele geschrieben. Für Mutti und für mich. Danach passierte Sensationelles: Zugriffe in astronomischen Höhen und Kommentare, die nicht von Oma waren (“Supi. Lecker. Toll.”). Scheinbar ging und geht es noch mehr Schwangeren wie mir. Da fühlt man sich auch gleich etwas besser. Ich bin nicht allein und ihr seid es auch nicht! 

 

Letztlich habe ich den Diabetes so gut überstanden, weil ich wusste, ich mache das für den allerbesten Zweck der Welt. Im Krankenhaus (Krankenhäuser sind ja für ihr ernährungstechnisch optimales Speisenangebot bekannt) gab es für mich tatsächlich direkt nach der Entbindung Weißmehlbrötchen und Nutella zum Frühstück. Das war zwar schon ganz geil, aber irgendwie auch egal, denn mit Baby im Arm wusste ich (Achtung, kitschiger Mutti-Moment!): Für dich würde ich auch für immer auf Zucker und Kohlenhydrate verzichten. 

 

Nachtrag: Mein Mann meint, niemals könnte ich da für immer drauf verzichten…. 

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